Wer beginnt, sich mit den Finanzmärkten und dem Trading auseinander zu setzen und sich bei einigen Online Foren anmeldet, wird schnell mit einer Vielzahl von Finanzprodukten zugehäuft. Unter Anderem wird man viele Angebote für Expert Advisors finden. Expert Advisors sind automatische Handelssysteme, auch Roboter genannt, die automatisch Finanzprodukte kaufen und verkaufen, zum Beispiel über die Handelsplattform Metatrader 4/5. Die Anbieter locken oft mit garantierten passiven Einkommen, fantastischen Renditen und dem Traum, im Schlaf Gewinne zu generieren. Die Anbieter selber geben sich als Experten mit jahrelangen Erfahrungen an den Finanzmärkten.
In der Praxis sehen dann die Resultate ganz anders aus. In den vergangenen Jahren habe ich Hunderte von solchen Programmen auf Live-Konten gesehen, und keiner hat langfristig Gewinne erbracht – KEIN EINZIGER! Viele sind sehr fahrlässig programmiert und oftmals fehlt es sogar an einem vernünftigen Risiko-Management. Wer sich trotzdem auf ein Abenteuer mit Expert Advisor einlassen will, sollte zumindest folgende Punkte beim Kauf beachten (die folgenden Regeln gelten übrigens nicht nur für Expert Advisors, sondern auch für Managed Accounts, Wikofolios und allen möglichen Social Trading-Dienstleistungen).
Mindestanforderungen bei der Suche eines automatischen Handelssystems (Expert Advisor)
Zeitspanne des Track-Rekords
Der Anbieter/ Experte sollte einen Kontoverlauf (auch Track-Rekord genannt) von mindestens zwei bis drei Jahren ausweisen können. Eine kürzere Zeitspanne ist in der Finanzwelt nicht aussagekräftig – jeder Expert Advisor/ Trader kann einmal durch Glück einen Trend über mehrere Monate erfolgreich handeln. Wichtig für den langfristigen Erfolg ist, wie ein Expert Advisor/ Trader reagiert, wenn sich Trendwenden einsetzen, Korrelationen ändern oder ein Trend plötzlich zu Ende geht. Experten, die angeben, jahrelange Handelserfahrung zu haben, aber nur eine Kontohistorie von mehreren Monaten vorzuweisen haben, sind oft unseriös.
Zertifizierter Kontoverlauf
Der Kontoverlauf sollte zertifiziert sein, entweder über anerkannte Online Dienste (z.B. Myfxbook oder Fundseeder), dem Broker oder von einem Notar/ Buchhalter. Von nicht-zertifizierten Kontoverläufen über Excel sollte man die Finger lassen.
Transparenz
Die Kontohistorie sollte transparent sein. Alle Trades, inklusive den Absicherungen (Stop Loss) sollten ersichtlich sein.
Kontostand und Equity-Kurve
Beim Track-Rekord sollte sowohl der Kontostand, als auch die Equity-Kurve ersichtlich sein. Der Kontostand zeigt den Kontoverlauf ohne die offenen Positionen an. Die Equity-Kurve zeigt den Kontoverlauf mit den offenen Positionen an. Die Equity-Kurve sollte niemals signifikant unter dem Kontostand befinden. Befindet sich die Equity-Kurve weit unter dem Kontostand werden Verlusttrades laufen gelassen – was über kurz oder lang zu einem Desaster führt.
Der Kontostand sieht gut aus, aber die Equity-Kurve liegt drastisch und dem Kontostand – das System läuft ohne Verlustabsicherung! Das System crashte zwei Wochen nach dem Screenshot und wurde von myfxbook gelöscht. Derselbe Dienst bietet heute noch automatische Handelssysteme an, zeigt dem Kunden aber nur noch Backtests. (Screenshot von myfxbook)
Risikomanagement
Das Risikomanagement der Strategie sollte Sinn machen. Maximale Verluste von einzelnen Trades sollten klar definiert werden (zum Beispiel max. 1%). Bei Managed Accounts sollte die Risikoaversion des Kunden miteinbezogen werden. Vor Hedge-Strategien bei denen im selben Produkt Long und Short gegangen wird, sollte man sich in Acht nehmen. Wenn Renditen versprochen werden, sollte man flüchten, den an den Finanzmärkten gibt es keine garantierte Renditen. Wer hohe Risiken eingeht, erhält manchmal überdurchschnittliche Renditen. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch hoch, dass hohe Risiken in der Zukunft auch zu einer unterdurchschnittlichen Wertentwicklung führt.
Echtgeld vs. Demo und Backtests
Der Kontoverlauf der Vergangenheit sollte durch Echtgeld entstanden sein. Bei Track-Rekords von Demokonten ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass der Anbieter verschiedene Strategien über verschiedene Konten laufen liess, und nach einer gewissen Zeit die Erfolgreichste vermarktet hat. Zudem sind Demokonten und Echtkonten unterschiedlich in der Ausführung. Bei Demokonten gibt es meist keine Slippages, Vezögerungen, keine psychologische Schwellen und die Kosten sind oft auch niedriger. Viele Strategien laufen auf Demokonten erfolgreich, scheitern aber, wenn sie auf Echtkonten angewandt werden.
Oft wird der Kontoverlauf von Expert Advisors über Backtests gezeigt. Meistens, weil die Strategie eben noch nie unter Echtzeitbedingungen geprüft worden ist. Bei Backtests werden Strategien auf historische Daten angewendet, um zu sehen, welche Ergebnisse sie in der Vergangenheit ergeben hätten. Diesen Backtests sollte man extrem misstrauisch gegenüberstehen. Strategien werden nämlich auf gegebene historische Daten angepasst – das nennt sich «Curve Fitting. Die Parameter des Systems werden dabei solange an die historischen Daten angepasst, bis sich eine perfekte Performance der Historie bildet. Die Zukunft und die Vergangenheit sind jedoch nie identisch, und darum scheitern die meisten Strategien in der Zukunft. Folgendes meint ein ETF Analyst von Morningstar über Backtests:
«Backtests sind eine legitime Möglichkeit, um statistisch verfälschend einen über die Gebühr optimistischen Renditepfad eines neuen Produkts aufzuzeigen… Die meisten Backup-Strategietests, die ich gesehen habe, sind, gelinde gesagt, problematisch.»
Das Geschäftsmodell des Anbieters
Das Geschäftsmodell des Anbieters sollte transparent sein. Man sollte sich vergewissern, dass kein Interessenskonflikt zwischen dem Anbieter und dem Kunden gibt – das könnte vor allem der Fall sein, wenn der Anbieter kostenlose Dienste anbietet.
Fazit
Der Markt ist gesättigt mit Angeboten von automatischen Handelssystemen oder Expert Advisors, und die allermeisten dieser Systeme werden langfristig keine Erfolge liefern können. Wer sich trotzdem auf das Abenteuer mit Ihnen einlassen will, sollte nur Angebote näher betrachten, die einen zertifizierten, transparenten Track-Rekord von mindestens zwei bis drei Jahre mit Echtgeld aufweisen können und ein vernünftiges Risikomanagement verfolgen. Zudem sollte das Geschäftsmodell des Anbieters transparent sein.
Es ist hier angebracht zu sagen, dass dies nur die ersten Filterfunktionen bei der Auswahl sind. Danach sollte man die Systeme über das Sharpe Ratio, die Volatilität, den Profit-Faktor, den maximalen Draw-Down, Value at Risk, Alpha und Beta und «Risk of Ruin»-Faktor näher überprüfen – Viel Glück bei der Suche. Alle Anderen sollten den Traum, im Schlaf Geld zu verdienen, begraben. Man kann aber auch das Handwerk selber lernen, oder sich an einen professionellen, regulierten Porfolio-Manager/ Berater wenden.
Kommentar verfassen