In den 80er Jahren wurde das Turtle Trader Experiment lanciert, um zu erfahren, ob jedermann das Traden erlernen kann, oder ob es angeborene Fähigkeiten braucht, um an den Märkten erfolgreich zu sein. Das Experiment hat die Initianten steinreich gemacht und einen Prototypen eines kompletten Handelssystems hervorgebracht. Dieser Beitrag handelt über die Geschichte des Turtle Trader Experiments und die Komponenten eines kompletten Handelssystems.
Geschichte der Turtle Trader
Das Turtle Trader Experiment ist 1983 aus einer Diskussion zwischen dem Doktor der Mathemantik und Trader Bill Eckhardt und dem Rohstoffspekulanten Richard Dennis entstanden. Die zwei diskutierten, ob jedermann das Handeln an den Börsen erlernen kann, oder ob es gewisse angeborene Fähigkeiten braucht, um erfolgreich handeln zu können. Man entschied sich, dieser Frage auf den Grund zu gehen, und ein Experiment zu starten – dem Turtle Experiment. Man wollte normale Leute zu Tradern ausbilden, genau wie man in Singapur Schildkröten züchtet („Schildkröten“ in Englisch heisst „Turtles“).
Es wurde eine Annonce im Wallstreet Journal, in der New York Times und in Barron’s aufgesetzt. Über ein Auswahlverfahren wurden von über 1000 Interessenten eine 13-köpfige Gruppe auserwählt – die Turtle Trader oder kurz „Turtles“. Die Turtles wurden 2 Wochen ausgebildet und handelten danach über 10 Jahre mit dem Kapital von Dennis Richard. Der Erfolg war aussergewöhnlich: Die Turtle erwirtschafteten über 10 Jahre eine durchschnittliche Performance von 80% pro Jahr! Das Handelssystem wurde 10 Jahre geheim gehalten und danach veröffentlicht. Das Geheimnis des Handelssystems war kein spezieller Indikator, sondern ein einfaches, aber komplettes Handelssystem, das die Trader mit absolutem Vertrauen und grösster Disziplin gehandelt haben.
Die Komponenten eines kompletten Handelssystems
Das Handelssystem der Turtles ist perfekt, nicht weil es den perfekten Ein- und Ausstieg einer Position generiert, weit davon entfernt, sondern weil alle Komponenten des Handels genau definiert sind. Die Komponenten eines Handelssystems sollten folgende Fragen beantworten:
- Was will ich handeln?
- Wieviel handle ich? (Risiko- und Money Management)
- Wann steige ich ein?
- Wann steige ich aus?
- Wie steige ich ein und aus? (Nur für grosse Konten notwendig, wenn man durch die eigene Position den Markt bewegt)
Das Handelssystem der Turtles kann als Prototyp zur Erstellung eines eigenen Handelssystems dienen. Im Folgenden erkläre ich die einzelnen Komponenten des Systems, ohne jedoch ins Detail zu gehen. Wer das Handelssystem im Detail kennenlernen will, kann die PDF Datei in Deutsch vom Turtle Trader Curtis Faith hier herunterladen: [Die Regeln der Turtle Traders]
Was will ich handeln?
Die Turtle Trader handelten ein wenig mehr als 30 der liquidesten Futures an der Chicago Mercantile Exchange (CME); darunter waren Produkte der Zinsmärkte, der Devisenmärkte und der Rohstoffmärkte enthalten. Beim Erstellen eines eigenen Handelssystems sollten Sie genau definieren, was Sie handeln wollen. Möchten Sie kurzfristig handeln, und sich nur auf ein Produkt, z.B. den DAX, konzentrieren, oder handeln sie viele Produkte in langfristigeren Zeiträumen?
Wieviel handelt man – Risiko- und Moneymanagement
Das Herzstück der Handelsstrategie der Turtle Trader ist das Risiko- und Money Management. Die Positionsgrösse und den S/L eines Trades errechneten die Turtles durch die Volatilität des Marktes. Die Volatilitätsberechnung ähnelt dem heutigen ATR Indikator, der im Metatrader 4 vorinstalliert ist.
Die Turtles wendeten zudem eine aggressive Variante des Pyramidisierens an. Beim Pyramidisieren werden Positionen, die im Gewinn liegen, um weitere Positionen vergrössert. Zudem werden die maximalen offenen Positionen begrenzt, damit nicht zu viele Produkte mit starken Korrelationen zueinander offen sind.
Beim Erstellen eines eigenen Handelssystems sollten sehr viel Gedanken über das Risikomanagement verwendet werden. Es ist die wichtigste Komponente eines jeden Systems.
Wann soll man einsteigen
Die Turtles hatten zwei Einstiegsmöglichkeiten: Entweder beim 20 Tage Hoch/Tief oder beim 55 Tage Hoch/Tief. Das ist alles. Für das Erkennen eines 20 Tage Hochs/Tiefs für den Einstiegkann man den Donchian Indikator verwenden.
Die Einfachheit des Einstiegssignals ist überraschend- und für viele Anfänger enttäuschend. Anfänger glauben, dass der Erfolg in einem geheimen Indikator liegt, oder im perfekten Ein- oder Ausstieg. Der wirkliche Erfolg eines Handelssystems liegt jedoch im Risikomanagement.
Beim Erstellen eines Handelssystems sollte man den Einstieg genau definieren. Damit ist nicht der perfekte Einstieg wichtig, sondern die Duplizierbarkeit. Zudem hilft es, wenn der Einstiegskriterien nicht zu kompliziert sind, denn man hat genug mit Risikomanagement zu tun.
Wann soll man aussteigen
Wie beim Einstieg, wurden auch beim Ausstieg aus einer Position zwei Möglichkeiten zur Verfügung gestellt – entweder das 10 Tage Hoch/Tief oder das 20 Tage Hoch/Tief. Auch hier überrascht die Einfachheit, überzeugt aber in der Duplizierbarkeit.
Wie soll man einsteigen und aussteigen – Taktik
Die Taktik, wie man in eine Position einsteigt, ist für Retail Trader mit CFDs oder Future Trader mit kleinem Volumen uninteressant. Erst wenn man durch die Positionsgrösse den Markt bewegt, wird eine Taktik nötig.
Zusammenfassung
Das Turtle Trader Handelssystem ist darum perfekt, weil es alle wichtigen Fragen des Handels beantwortet: Was handle ich? Wieviel handle ich? Wann steige ich in eine Position ein, und wann steige ich aus einer Position aus? Wie steige ich in eine Position ein und aus? Das Herzstück des Handelssystems ist das Risiko- und Moneymanagement.
Durch das Turtle Experiment konnte die Frage, ob jeder erfolgreich handeln kann, oder ob man gewisse angeborene Charaktere als Trader braucht, um erfolgreicher Trader zu werden, nur teilweise gelöst werden, denn das Auswahlverfahren von Bill Eckhardt und Richard Dennis der Bewerber war nicht zufällig. Richard Dennis suchte gezielt nach gewissen Charakteren. Trotzdem konnte Richard Dennis beweisen, dass man, wenn man ein striktes und geprüftes Handelssystem anwendet, langfristig erfolgreich sein kann.
Kein Handelssystem funktioniert ohne das Vertrauen in das System und die Disziplin, das System konsequent zu handeln.
Wer sich tiefer mit dem Turtle Trader Handelssystem beschäftigen will, kann sich hier die kostenlose veröffentlichte und übersetzte Version vom Turtle Curtis Faith herunterladen:
Die Handelsstrategie der Turtle Trader (PDF, Deutsch)
The Rules of the Turtle Traders (PDF, Englisch)
In der PDF Datei ist die Berechnung von N schwer nachzuvollziehen. Für weitere Erklärungen hilft folgender Link: Die Berechnung von N des Turtle Trader Handelssystems
Zusätzlich gibt es einige Bücher zu dem Thema – Zum Beispiel von Curtis Faith (Curtis ist einer der orginalen Turtle Trader): Die Strategien der Turtle Trader: Geheime Methoden, die gewöhnliche Menschen in legendäre Trader verwandeln oder von einem weiteren Turtle, Michael Covel: Turtle-Trading
Ich empfehle zudem den Podcast von Michael Covel „Trendfollowing“ (in Englisch) mit sehr guten Trader Interviews
Und last but not least eine Powerpoint Präsentation eines Webinars von mir:
[…] und vor allem Komplett in seiner Ganzheit ist. Für genauere Informationen kann meinen einen älteren Beitrag von mir über die Turtle Trader lesen, wo man das ganze System auch im PDF-Format herunterladen […]